Im Juni erklärte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dass die steigenden Zinsen an den Bondmärkten Investoren Verluste in Höhe von mehreren Billionen USD zu verursachen drohen. Schlimmstenfalls könnte es zu einer neuen Finanzkrise kommen, solange Banken sich gegen diese Entwicklung nicht entsprechend wappneten. Damals hieß es, dass allein die an den Treasury Bond Märkten entstehenden Verluste $1 Billion erreichen könnten, falls die Zinsen auf die 10-Jährige US-Staatsanleihe auf 3% klettern würden.

Nun, diese Marke haben wir ja jetzt erreicht. Doch vom Ausbruch einer neuen Finanzkrise ist bislang (noch) nichts zu spüren. Dabei waren die Prognosen der in der Schweiz ansässigen Institution, die wie eine Art Zentralbank der Zentralbanken fungiert, alarmierend: das aus den Bondmärkten flüchtende Kapital könnte Verluste zur Folge haben, die sich in einer Spanne von zwischen 15 und 35 Prozent der BIPs Frankreichs, Italiens, Japans und Großbritanniens ansiedeln ließen.

Da vor allem heimische und internationale Banken die Leidtragenden seien, müssten die Risiken in Bezug auf anhaltende Zinsanstiege so schnell wie möglich reduziert werden. Andernfalls sei einmal mehr die Stabilität des globalen Finanzsystems in Gefahr. Auch eine Reihe von Analysten warnte bereits zum damaligen Zeitpunkt, dass die Zinsanstiege an den US-Bondmärkten einen Run auf die Schwellenländern und einen Abfluss hoch spekulativen Kapitals China zur Folge haben dürften. Erste Anzeichen für eine solche Entwicklung waren in den vergangenen Monaten zu beobachten.

Bemerkenswert liest sich im Jahresbericht der BIZ, dass die Institution trotz der eigenen Warnungen die Zentralbanken dazu aufrief, ihre Geldpolitiken trotz der bestehenden Sorgen an den Bondmärkten umgehend zu straffen. Begründet wurde dieser Aufruf bereits damals auf Basis der Feststellung, dass QE und die Nullzinspolitik zum jetzigen Zeitpunkt mehr Schaden als Heil stifteten. Umso länger Notenbanken diese Geldpolitik aufrecht erhielten, desto größer und unbeherrschbarer würden die daraus entstehenden Gefahren. Das Verhältnis aus den Kosten dieser weltweit überaus lockeren Geldpolitik in Relation zu den daraus generierten Vorteilen habe seinen Zenit überschritten.

Von den Warnungen eines nahezu sicheren Abrutschens in eine ökonomische Depression seitens einer Reihe von Ökonomen, die die im oben verlinkten Jahresbericht der BIZ scharf kritisierten, wollte die Schweizerische Institution hingegen nichts wissen. Unter den als hinlänglich dem Keynes-Camp zugehörigen und bekannten Ökonomen herrschte die Ansicht vor, dass diese Aufforderung mit einer hardlinerischen Sichtweise der Österreichischen Schule vergleichbar sei. Danach führten Schuldenkollapse zu einer konstruktiven Zerstörung dieser über Jahrzehnte aufgebauten Verbindlichkeiten, deren sich auf lange Sicht ohnehin keine staatliche Organisation in den Weg stellen könne.

Doch bei der BIZ hieß es daraufhin, dass die Geldpolitiken der Notenbanken zu einem der weltwirtschaftlichen Hauptprobleme avanciert seien. Denn genau daraus resultiere ein überaus rücksichtsloses Eingehen von Investmentrisiken durch eine zunehmende Anzahl von Marktteilnehmern. In der Folge resultierten daraus nicht nur übergroße finanzielle Ungleichgewichte, sondern vor allem auch weitere Fehlallokationen von Kapital. Nun, in diesem Punkt kann man der BIZ eigentlich nur beipflichten.

Laut BIZ habe das Mantra der Zentralbanken, alles zu tun, um das ökonomische Wachstum zu stimulieren, dessen anfänglichen Nutzen ins Leere laufen lassen. Heute hätten sich große Notenbanken wie die Fed, Bank of England, Bank of Japan und andere mit Bonds in einem Gesamtumfang von mehr als $10 Billionen vollgeladen. Doch Notenbanken seien nicht dazu in der Lage, die Bilanzen der privaten Haushalte und Banken ins Reine zu bringen. Diese Rettungspolitik habe den Regierung lediglich Zeit erkauft, um deren Budgets in Ordnung zu bringen. Bei Licht besehen ist davon weit und breit jedoch kaum etwas passiert. Vielmehr zeigt sich, dass sich Regierungen auf der Geldpolitik der Notenbanken ausruhten, um wichtige und schmerzhafte Reformen einmal mehr in die Zukunft zu verlagern.

Mit ihren Forderungen befindet sich die BIZ in starkem Kontrast und folgerichtig einer sich intensivierenden Auseinandersetzung mit dem Camp, das einer anhaltenden elektronischen Kapitalerzeugung frönt – somit also mit dem IWF, den meisten angelsächsischen, asiatischen und französischen Ökonomen und natürlich auch Shinzo Abe, Japans Premierminister, der das Rotieren der Gelddruckmaschine zum neuen Mantra einer zukünftigen Prosperität Japans erkoren hat. Nicht wenige dieser Auguren sind der Ansicht, dass Europa dem großen Risiko ausgesetzt sei, genau wie Japan in einen deflationären Teufelskreislauf abzudriften. 

Gestern teilte die BIZ mit, dass die anhaltende Jagd nach Renditen Investoren en masse in Hochrisikoanlagen dränge. Diese Entwicklung sei lediglich vergleichbar mit dem Phänomen der Massenaufschweifungen vor dem Ausbruch der globalen Finanzkrise. Bemerkenswert sei zudem, dass sich dieses Extrem just zu einem Zeitpunkt beobachten ließe, zu dem die Federal Reserve sich darauf vorbereite, ihre Bondankäufe zu reduzieren. Dadurch würde den globalen Märkten Dollarliquidität entzogen. Laut BIZ ein möglicher Wendepunkt, der mit sehr großen Gefahren behaftet sei und durchaus schief gehen könne.

William White, ehemaliger Chefökonom der BIZ, der schon damals auf die Extreme an den globalen Schuldenmärkten hinwies, bevor die Blase in 2008 mit dem Untergang von Lehman vollends platzte, erklärte, dass die zuvor zu beobachtenden Ungleichgewichte alle noch existent seien. Nicht habe sich seit damals geändert. Hinzu addiere sich heute, dass die Verschuldung in den Industrieländern im Zuge der Finanzkrise im öffentlichen und privaten Sektor nochmals um durchschnittlich 30% geklettert sei. Dadurch habe sich auch ein extrem großer Korb neuer Probleme zu den ohnehin überwältigenden Problemen in der Welt hinzu addiert.

In ihrem Vierteljahresbericht wies die BIZ darauf hin, dass die Emission von nachrangigen Anleihen, die Banken und Kreditgeber einem Insolvenzrisiko aussetzten, wenn sich die Dinge in die falsche Richtung entwickelten, in Europa und den Vereinigten Staaten um das Dreifache beziehungsweise das Zehnfache auf $52 Milliarden respektive $22 Milliarden potenziert hätten. Die Gläubiger hielten eine Vielzahl von Papieren in Händen, die im Falle eines Marktabschwungs nahezu wertlos werden könnten. Dazu gehörten unter anderem Covenant Loans sowie Hybridkapital.

Die Interbankenkredite in Richtung der Schwellenländer haben laut Daten der BIZ ein neues Rekordniveau erreicht. Laut des neuen BIZ-Chefökonomen Claudio Borio sollten die derzeitigen Turbulenzen in den Emerging Markets durch die Investoren als Warnzeichen verstanden werden. Der Ansteckungseffekt könnte immens sein, falls es in diesen Regionen zum richtigen Ausbruch einer Krise kommen sollte. Dazu könne niemand mit Bestimmtheit vorhersehen, wie hoch die Zinsen in den USA klettern werden, wenn die Fed ihren Fuß vom Gaspedal der eigenen Bondankäufe nähme. Herausforderung sei, auf jedwede Entwicklung vorbereitet zu sein, wie Borio abschloss.

Doch danach sieht es – wie schon in 2007 – nicht aus. Es herrscht das Motto vor, solange zu tanzen, wie die Musik spielt. Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung dürften genauso verheerend sein wie damals, als die Discokugel schließlich von der Decke kam – und im Angesicht der maroden Staaten wahrscheinlich noch um einiges schlimmer!    

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